Was ist ein RIP DEAL? – Eine umfassende Analyse
Der Begriff „RIP DEAL“ wurde erstmals 1994 durch die niederländische Ermittlungsgruppe SPARTA geprägt und beschreibt ein mehrphasiges betrügerisches Rechtsgeschäft. Die Bezeichnung leitet sich aus dem Englischen ab, wobei „to rip“ für entreißen und „deal“ für Geschäft steht. Seit etwa 1989 hat sich diese Betrugsform zu einem hochspezialisierten Deliktfeld entwickelt, das sich durch einen besonderen Organisationsgrad, professionelle Täterstrukturen und internationale Vernetzung auszeichnet. Charakteristisch sind dabei die mehrphasige Durchführung und die meist erheblichen Schadenssummen.
Der (typische) Ablauf des RIP DEALS
Die Vortatphase
Die erste Phase eines RIP DEALS ist geprägt von sorgfältiger Planung und Organisation. Die Täter wählen ihre Zielobjekte und potentiellen Opfer mit Bedacht aus und bauen eine täuschend echte Geschäftsidentität auf. Dazu gehört die Beschaffung der notwendigen Infrastruktur, wie spezielle Kommunikationsmittel und gefälschte Dokumente. In dieser Phase wird auch das spezialisierte Täter-Team zusammengestellt, wobei jedes Mitglied eine klar definierte Rolle erhält.
Die Anbahnungsphase
In der zweiten Phase treten speziell geschulte „Mediatoren“ in Aktion. Sie nehmen den ersten Kontakt mit den potentiellen Opfern auf und sind darauf trainiert, eine vertrauenswürdige Fassade aufzubauen. Den Opfern wird ein lukratives Geschäft (in unserem Fall ein vermeintliches Firmeninvestment) in Aussicht gestellt, wobei die Mediatoren sehr behutsam die Bereitschaft des Opfers zur Teilnahme ausloten. Diese Phase ist entscheidend für den späteren Erfolg des Betrugs.
Die Vertrauensphase
Die dritte Phase dient dem gezielten Vertrauensaufbau. In persönlichen Treffen demonstrieren die Täter Professionalität und Seriosität. Nicht selten werden in dieser Phase kleine, erfolgreiche Vorgeschäfte abgewickelt, um das Vertrauen weiter zu stärken. Die Täter erhöhen dabei schrittweise den Einsatz und bereiten so den Boden für die eigentliche Tat vor.
Die Tatvollendsphase
In der vierten Phase kommt es zum entscheidenden, sorgfältig inszenierten Treffen. Die Opfer werden hierfür regelmäßig ins Ausland (in unserem Fall Italien) gelockt. Im vorliegenden Fall gelang es den Tätern durch geschickte Ablenkungsmanöver, die Seed Phrase des Kryptowallets des Opfers auszuspähen. Der unmittelbare Täter, in der Szene bekannt unter dem Pseudonym „Kennedy“, arbeitete dabei mit mindestens drei weiteren Personen zusammen. Nach Erlangung der Seed Phrase wurden unverzüglich die auf dem Kryptowallet liegenden Assets (Ethereum im Wert von rd. 380.000 Euro) wegtransferiert.
Die „RECUPERO“-Phase
Die letzte Phase, in der Szene als „RECUPERO“ bekannt, dient der Beutesicherung und Verschleierung. Die erbeuteten Kryptowährungen werden sofort weitertransferiert und durch professionelle Netzwerke gewaschen. Digitale Spuren werden verwischt, während sich die Täter räumlich vom Tatort entfernen.
Der Ermittlungserfolg
Die Ermittlungen waren geprägt von akribischer Ermittlungsarbeit, professioneller Zeugenbefragung und intensiver Blockchain-Forensik. Die erfolgreiche Identifizierung des Haupttäters „Kennedy“ verdanken wir der außergewöhnlichen Expertise der RIP DEAL Unit Wien. Diese Sondereinheit rund um Insp. Valentin Szaga-Doktor und Insp. Mario Kaintz verfügt über jahrelange Erfahrung in der Bekämpfung organisierter Kriminalität und hat sich durch intensive Ermittlungsarbeit ein tiefgreifendes Verständnis der Szene aufgebaut. Ein entscheidender Durchbruch im Fall gelang durch die von Kaintz und Szaga-Doktor über Jahre erarbeitete Kenntnis der bekannten RIP-Dealer, die es den Ermittlern ermöglichte, dem Opfer auf Grund der Täterbeschreibung ausgewählte Lichtbilder verschiedener potenzieller Täter zur Identifizierung vorzulegen. Durch diese spezialisierte Vorarbeit der Ermittler konnte das Opfer den Täter zweifelsfrei identifizieren. Die präzise Kenntnis der Szene, ihrer Akteure und typischen Vorgehensweisen, gepaart mit der professionellen Dokumentation bekannter Verdächtiger, erwies sich als Schlüssel zur Überführung des Täters. Dieser Ermittlungserfolg unterstreicht die Bedeutung spezialisierter Polizeieinheiten in der Bekämpfung komplexer, organisierter Kriminalität.
Überwindung prozessualer Hürden im Ermittlungsverfahren
Der Weg zur erfolgreichen Strafverfolgung erwies sich als komplex und stellte unser Team vor besondere Herausforderungen. Die zuständige Staatsanwaltschaft vertrat und kommunizierte nicht nur im Zusammenhang mit der Frage der inländischen Gerichtsbarkeit eine bemerkenswert skeptische Position – sie stellte auch wiederholt und mit Nachdruck in Abrede, dass die Ermittlungen zu einem Erfolg führen könnten. Dem Opfer wurde seitens der Staatsanwaltschaft bis zuletzt vermittelt, dass weder mit einer Ausforschung der Täter noch mit einer Schadenswiedergutmachung zu rechnen sei.
Es bedurfte eines Beschlusses des Landesgerichts, um die Fortführung des Ermittlungsverfahrens zu erwirken. Dieser Beschluss bestätigte nicht nur unsere Rechtsansicht zur internationalen Zuständigkeit, sondern schuf auch die Grundlage für die weiteren erfolgreichen Ermittlungsschritte. Die Skepsis der Strafverfolgungsbehörden wurde durch die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse eindrucksvoll widerlegt: Der unmittelbare Täter konnte nicht nur ausgeforscht und festgenommen werden, sondern wurde auch zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt.
Besonders erfreulich für unser Opfer war, dass entgegen der ursprünglichen Prognosen eine substanzielle Schadenswiedergutmachung erzielt werden konnte. Bereits während der Hauptverhandlung wurden durch den Verteidiger des Täters 100.000 Euro als erste Schadenswiedergutmachung geleistet. Darüber hinaus wurden die gesamten Schadenersatzansprüche des Opfers im Strafurteil rechtskräftig zugesprochen. Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass sich beharrliche juristische Arbeit und der Glaube an die Durchsetzbarkeit des Rechts auch gegen anfängliche Widerstände auszahlen können.
Fazit und Ausblick
Der Fall demonstriert eindrucksvoll die zunehmende Professionalisierung im Bereich der Kryptokriminalität. Gleichzeitig zeigt er aber auch die Möglichkeiten erfolgreicher Strafverfolgung auf. Die Kombination aus spezialisierter Ermittlungsarbeit, technischer Expertise und juristischem Know-how ermöglicht auch bei komplexen Kryptodelikten eine effektive Rechtsdurchsetzung.
Rechtliche und Kryptoforensische Unterstützung
Unsere Kanzlei hat sich auf die Beratung und Vertretung von Opfern der Kryptokriminalität spezialisiert. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Vermögenssicherung und -rückführung sowie der präventiven Beratung. Neben der umfassenden Unterstützung von der ersten Fallanalyse über die Strafanzeige bis hin zur Prozessvertretung nehmen wir auch die Analyse/Nachverfolgung der inkriminierten Kryptoassets selbst vor.
Für Fragen im Zusammenhang mit Cyberkriminalität stehen Ihnen Roman Taudes und sein Team jederzeit unter office@atb.law bzw. telefonisch unter 01 39 12345 zur Verfügung.