Unzulässige Abschalteinrichtung aufgrund Verwendung eines Thermofensters
Gemäß der EU-Verordnung 715/2007 ist eine Abschalteinrichtung ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Dazu gehört jedenfalls ein sogenanntes Thermofenster.
Bei einem Thermofenster handelt es sich um einen Temperaturbereich (zB 15 bis 30 Grad Celsius), in welchem die Abgasnachbehandlung durch Rückführung von Abgasen in die Brennkammer des Motors normal funktioniert. Außerhalb dieses engen Temperaturfensters wird die Abgasrückführung („AGR“) drastisch reduziert, sodass die gemäß Euro 5 höchstzulässigen Nox-Werte von maximal 180 mg pro gefahrenen Kilometer nicht mehr eingehalten werden können. Bei den betroffenen Volvo Fahrzeugen konnte durch Tests Folgendes nachgewiesen werden:
Zum Vergleich: In Österreich liegt die Jahresdurchschnittstemperatur bei etwa 9 bis 11 Grad Celsius.
Abschalteinrichtungen sind bei Fahrzeugen, die für den Betrieb innerhalb der EU zugelassen sind, nur zulässig, wenn diese „notwendig“ sind, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Beim Thermofenster von Volvo trifft dies – wie Erfahrungen aus vorherigen Dieselskandal-Prozessen etwa mit VW, Audi und Mercedes zeigen – nicht zu. Es ist nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen, dass es sich bei den von Volvo bei den betroffenen Modellen hinterlegten Thermofenstern um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt.
Betroffene Dieselfahrzeuge: Sämtliche Euro 5 und 6 Modelle mit 2.0 l Dieselmotoren (D3 / D4) stehen im Verdacht
Konkret vom Bescheid des KBA betroffen, sind Fahrzeuge des Volvo-Modells XC60 2.0 D (Euro 5). Da das Thermofenster nach derzeitigem Kenntnisstand auch in Euro 6 Dieselmotoren verwendet wird, ist davon auszugehen, dass sich der Volvo-Dieselskandal auch auf die Euro 6 Dieselmodelle ausweiten könnte. Die betroffenen Dieselmotoren D3 und D4 (Euro 5 und 6) werden von Volvo insbesondere in nachstehenden Modellreihen verwendet:
- XC 90, XC 70, XC 60, XC 40
- V 90, V 70, V 60, V 40
- S 90, S 80, S 60
Welche Ansprüche haben Betroffene vom Volvo Diesel Skandal?
Die bisherigen Dieselskandal-Prozesse haben gezeigt, dass Betroffene vor Gericht insbesondere nachstehende Ansprüche geltend machen können:
- Schadenersatz wegen Wertminderung aufgrund unzulässiger Abschalteinrichtung
- Feststellungsinteresse wegen drohendem Zulassungsverlusts
- Rückabwicklung des Kaufvertrags
Die bisherige Rechtsprechung aus vergleichbaren Fällen anderer Hersteller hat gezeigt, dass Schadenersatzansprüche von rd. 20% des Kaufpreises gefordert werden können. Alternativ steht Ihnen als Betroffener die Rückabwicklung des Kaufvertrags offen, wobei hier ein angemessenes Nutzungsentgelt bezahlt werden muss, sodass diese Variante nur bei Fahrzeugen unter etwa 100.000 zurückgelegten Kilometern wirtschaftlich erscheint. Die tatsächlich möglichen Ansprüche müssen jedoch stets im Einzelnen geprüft werden, weil je nach individueller Situation sich höhere oder niedrigere Ansprüche von Betroffenen ergeben können. Angesichts dessen, dass Volvo derzeit Nachbesserungen verweigert bzw. solche noch nicht anbietet besteht auch ein Interesse an der Feststellung der Haftung von Volvo für zukünftige noch nicht bezifferbare Schäden.
Für weitere Informationen und individuelle Beratung stehen Ihnen Roman Taudes und Patrick Brunsteiner jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter office@atb.law oder telefonisch unter +43 1 39 123 45.