Compliance

EuGH-Urteil: Geldbußen bei systematischen Verstößen gegen die Geldwäscherichtlinie

Sanktionspraxis bei Verstößen gegen die Geldwäscherichtlinie

Mit Urteil vom 19. Juni 2025 (C-671/23) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, in welchem Umfang nationale Behörden bei Verstößen gegen die Geldwäscherichtlinie (EU) 2015/849 mehrere Geldbußen verhängen dürfen. Die Entscheidung ist für Finanzinstitute, E-Geld-Institute und Compliance-Verantwortliche von großer praktischer Bedeutung – insbesondere im Hinblick auf die Sanktionspraxis bei systematischen Verstößen.

In diesem Beitrag analysieren wir das Urteil und erläutern dessen praktische Konsequenzen. Der Fokus liegt auf der Frage, inwieweit mehrere Verstöße innerhalb einer einzigen Prüfung zu mehreren Geldbußen führen dürfen – und welche Grenzen das Unionsrecht setzt.

Geldwäsche Compliance Rechtsanwalt

Hintergrund: Geldbußen gegen litauisches E-Geld-Institut

Im Zentrum des Verfahrens stand ein litauisches E-Geld-Institut, das von der litauischen Zentralbank mit acht separaten Geldbußen belegt wurde. Alle Verstöße gegen nationale Geldwäschevorschriften wurden im Rahmen einer einheitlichen Prüfung festgestellt. Dennoch wertete die Aufsichtsbehörde jeden einzelnen als gesonderten systematischen Verstoß gemäß dem litauischen Geldwäschegesetz und verhängte daraufhin Einzelstrafen in Höhe von insgesamt 370.000 Euro.

Das betroffene Unternehmen klagte: Es argumentierte, dass diese Kumulierung gegen das EU-rechtliche Doppelverfolgungsverbot (ne bis in idem) sowie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

 

Zentrale Rechtsfrage: Wie weit dürfen nationale Behörden gehen?

Das vorlegende Gericht – das Oberste Verwaltungsgericht Litauens – ersuchte den EuGH um Klarstellung zur Auslegung von Art. 59 der Geldwäscherichtlinie (EU) 2015/849. Es ging dabei insbesondere um folgende Fragen:

  • Dürfen mehrere Geldbußen verhängt werden, wenn alle Verstöße im Rahmen einer einzigen Prüfung festgestellt wurden?

  • Gilt jeder systematische Verstoß automatisch als gesonderter Verstoß mit eigener Sanktion?

  • Welche unionsrechtlichen Schranken gelten bei der Kumulierung von Geldbußen?

 

Wichtige Klarstellungen durch den EuGH

1. Mehrere Einzelgeldbußen bei einer einzigen Prüfung zulässig

Der EuGH entschied: Art. 59 AMLD steht nationalen Vorschriften nicht entgegen, wonach systematische Verstöße – selbst wenn sie gemeinsam festgestellt wurden – jeweils gesondert geahndet werden dürfen.

Jeder systematische Verstoß kann eine eigene Geldbuße nach sich ziehen, auch wenn alle im Zuge derselben AML-Prüfung entdeckt wurden.

2. Mindestharmonisierung erlaubt strengere nationale Regelungen

Die Geldwäscherichtlinie sieht ausdrücklich nur eine Mindestharmonisierung vor. Nationale Gesetzgeber dürfen also weitergehende Sanktionen erlassen, solange diese verhältnismäßig, wirksam und abschreckend sind.

Kumulierte Geldbußen – wie im litauischen Fall – sind unionsrechtlich zulässig, sofern sie präventiv und abschreckend wirken.

3. Wahrung unionsrechtlicher Grundsätze erforderlich

Die EuGH-Richter betonen, dass auch bei multiplen Geldbußen folgende unionsrechtliche Grundprinzipien eingehalten werden müssen:

  • Verhältnismäßigkeit (keine übermäßige Sanktionierung)

  • Effektivität (wirksame Durchsetzung von AML-Regeln)

  • Ne bis in idem (kein doppelter Strafcharakter bei identischen Sachverhalten)

Die nationale Praxis muss auf Einzelfallebene geprüft und begründet sein.

 

Relevanz für Unternehmen und Compliance-Verantwortliche

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz (GwG) – darunter:

  • Kredit- und Finanzinstitute

  • Krypto-Dienstleister

  • Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer

  • sonstige AML-pflichtige Unternehmen

Kernaussagen für die Praxis:

  • Mehrfache Verstöße können separat geahndet werden.

  • Eine Prüfung kann zu mehreren Geldbußen führen.

  • Professionelle Compliance-Strukturen sind unerlässlich, um systematische Verstöße zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen.

  • Sanktionshöhe hängt von der wirtschaftlichen Lage, Kooperationsbereitschaft und Wiederholungsgefahr ab.

 

Fazit: Klare Leitlinien für Aufsichtsbehörden und Verpflichtete

Das EuGH-Urteil vom 19. Juni 2025 bringt Rechtssicherheit in die Auslegung von Art. 59 der Geldwäscherichtlinie. Es stärkt die Handlungsfähigkeit nationaler Aufsichtsbehörden und verdeutlicht, dass jede einzelne Pflichtverletzung schwer wiegen kann – auch wenn sie im Rahmen derselben Prüfung erfolgt.

Für Unternehmen und Verpflichtete ergibt sich daraus:
➡️ Jede Lücke im internen Geldwäsche-Compliance-System kann teuer werden.

Für Spezialisten im Bereich Geldwäscheprävention und Rechtsanwälte mit Fokus auf Finanzmarktaufsicht entstehen neue Herausforderungen – etwa bei der Verteidigung gegen kumulierte Sanktionen und der Optimierung interner Kontrollsysteme.

 

Für weitere Informationen und individuelle Beratung stehen Ihnen Anela Blöch und Roman Taudes jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter office@atb.law oder telefonisch unter +43 1 39 123 45.