Unternehmensrecht

Finfluencer und Tippgeber

Haftungsfallen für Finanzdienstleister

Vertraglich gebundene Vermittler und Tippgeber werden seit geraumer Zeit im Vertrieb von Finanzdienstleistungen eingesetzt. Sie sorgen für den Kontakt zu Neukunden. In den letzten Jahren haben viele Finanzdienstleister auch sog. „Finfluencer“ als Marketing- und Vertriebsinstrument für sich entdeckt, um ihre Produkte bei Plattformen wie Instagram, TikTok, YouTube, Twitter oder LinkedIn zu vermarkten und neue Kundengruppen zu erschließen. Diese Vertriebskanäle und Marketingmethoden bringen jedoch eine Fülle an Risiken mit sich, die oftmals im Vorhinein nicht sorgfältig mitbedacht wurden. Erleidet ein Kunde etwa einen Schaden durch ein Finanzprodukt oder Kryptowerte stellt sich schnell die Frage, wer aller zur Haftung herangezogen werden kann.

Im Rahmen dieses Blogbeitrags widmen wir uns daher den spezifischen Gefahren und Risiken die der Einsatz von Finfluencern und Tippgebern im Vertrieb für Finanzdienstleister mit sich bringen kann.

 

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  1. Beratungsvertrag als Grundvoraussetzung

    Grundvoraussetzung für die Haftung wegen Fehlberatung ist im ersten Schritt stets das Vorliegen eines Beratungsvertrags oder einer Beratungspflicht. Ein Vermögensberatungsvertrag ist nach der ständigen Rechtsprechung schnell abgeschlossen, da ein solcher Abschluss auch konkludent erfolgen kann. Es kann bereits ausreichend sein, wenn der Tippgeber oder Finfluencer dem (potentiellen) Kunden ein bestimmtes Produkt des Finanzdienstleisters empfiehlt oder konkrete Empfehlungen zum Investitionsbetrag abgibt. Ob der „Berater“ überhaupt die persönlichen und fachlichen Kenntnisse oder aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen mit sich bringt oder nicht, ist für die schadenersatzrechtliche Haftung wegen Fehlberatung irrelevant. Diese Eigenschaften werden bei entgeltlicher Beratung nämlich stets vorausgesetzt. Somit hat auch ein nicht zur Anlageberatung Berechtigter den entsprechenden Sorgfaltsmaßstab und die Wohlverhaltensregeln im Rahmen eigenmächtiger Beratungsleistungen einzuhalten.

    Haftungsrechtliche Zurechnung des Tippgebers

    Das Tippgebergeschäft ist dadurch charakterisiert, dass der Tippgeber einem Unternehmer die Kontaktdaten interessierter Personen (also potentieller Kunden) übermittelt und dafür eine sog. „Tippgeberprovision“ als Entgelt erhält. Der Tippgeber unterstützt Unternehmer bei der Akquise von Kunden, ohne über die bloße Kundenzuführung hinaus eine Beratungs- oder Vermittlungsleistung zu erbringen. Wenn der Tippgeber allenfalls eigenmächtig eine fehlerhafte oder unvollständige Anlageberatung tätigt, kann dessen Verhalten gemäß neuer Rechtsprechung des OGH zu 17 Ob 8 /23k dem Finanzdienstleister nach § 1313a ABGB zugerechnet werden. Der Finanzdienstleister haftet dem geschädigten Kunden dann direkt, wenn der Tippgeber

    1. im Rahmen der Verfolgung der Interessen des Finanzdienstleisters tätig war und
    2. sein Verhalten aus dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs, den der Tippgeber im Rahmen der Interessenverfolgung für den Finanzdienstleister wahrzunehmen hatte, nicht herausfällt.

    Der Finanzdienstleister haftet daher in der Regel dann für eine durch den Tippgeber erfolgte Fehlberatung oder sonstige Vermittlungsleistung, wenn der Finanzdienstleister selbst zu diesem Zeitpunkt zumindest formal zur Erbringung einer Anlageberatung oder Anlagevermittlung berechtigt war. Voraussetzung einer Haftung ist natürlich stets, dass überhaupt eine fehlerhafte oder unvollständige Anlageberatung erfolgt ist.

    Haftungsrechtliche Zurechnung des Finfluencers

    Als Finfluencer werden jene Personen bezeichnet, die in sozialen Medien Inhalte rund um finanzielle Themen teilen. Diese Themen umfassen Tipps zur Strukturierung der persönlichen Finanzplanung, Investitionsempfehlungen sowie Informationen zu makroökonomischen oder geopolitischen Ereignissen. Ob ein Finfluencer die entsprechenden formalen Ausbildungen oder Zertifizierungen im Finanzbereich besitzt oder nicht, ist für den typischen Privatanleger im Regelfall nicht erkennbar.

    Finanzdienstleister, die ihre Produkte über Finfluencer in Sozialen Netzwerken oder sonstigen Plattformen bewerben, laufen Gefahr, dass sie zukünftig zur Haftung für Schäden von Kunden herangezogen werden könnten. Erteilt ein Finfluencer – wenn auch eigenmächtig – zusätzlich zur objektiven Bewerbung eines Anlageprodukts etwa Ratschläge, bei denen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse anderer Personen oder Zielgruppen berücksichtigt werden, liegt im Zweifel eine Anlageberatung vor.

    Die Haftungszurechnung des Fehlverhaltens von Finfluencern an Finanzdienstleisters war bislang zwar noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung, folgt jedoch den zu Tippgebern bereits dargestellten Grundsätzen.

    Vorab rechtlich informieren, um zukünftige Haftungsfälle zu vermeiden

    Für Finanzdienstleister bringt der Einsatz von Tippgebern und Finfluencern im Vertrieb besondere Vorteile aber auch Herausforderungen mit sich. Vor allem die vertragliche Gestaltung, rechtlich fundierte Schulungen von im Vertrieb beteiligten Intermediären sowie laufende Compliance Checks sind unabdingbar, um Kunden und das Unternehmen vor den Folgen unvollständiger oder fehlerhafter Beratung zu schützen.

Für weitere Informationen und individuelle Beratung steht Ihnen Patrick Brunsteiner jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter brunsteiner@atb.law oder telefonisch unter +43 1 3912345.