Bisherige Rechtslage auch im Erfolgsfall von Rechtsunsicherheit geprägt
Die zunehmende Anzahl an Online-Betrügereien stellte die Strafprozessordnung und die Nerven der Opfer auf eine harte Probe. Es ist prozessual zwar vorgesehen, dass Opfer von Betrug im Rahmen des Strafverfahrens entschädigt werden können. Dies aber in der Regel nur, wenn es zu einer Verurteilung des Täters und einem Zuspruch des Schadenersatzes kommt. Bislang mussten die Opfer – auch wenn Vermögenswerte beschlagnahmt wurden – das Ergebnis des Hauptverfahrens abwarten oder einen Exekutionstitel gegen die Täter erwirken, um den erlittenen Schaden ersetzt zu bekommen.
Bleibt der Täter trotz Ergreifung zweckdienlicher Ermittlungsmaßnahmen jedoch unbekannt oder kann dessen Aufenthaltsort nicht ausgeforscht werden, kann keine Anklage erhoben werden. Mangels Anklage gibt es auch kein Hauptverfahren und somit keine Chance auf einen Privatbeteiligtenzuspruch. Auch eine zivilrechtliche Durchsetzung der Ansprüche scheitert bei unbekannten Tätern.
Gesonderte Ausfolgungsansprüche im Ermittlungsverfahren waren in der Strafprozessordnung bisher nur für körperliche Gegenstände – wie etwa Bargeld – vorgesehen. Bei Kryptowährungen und Giralgeld gab es hierfür bislang keine gesetzliche Regelung. Selbst dann, wenn die Spur der beschlagnahmten Vermögenswerte bis zur ursprünglichen Herkunft vom Krypto- bzw. Bankkonto des Opfers zweifellos nachgewiesen werden konnte, wurde ein Ausfolgungsanspruch des Opfers per analoger Gesetzesanwendung von den Gerichten immer wieder verneint.
Die Opfer standen somit vor einer unauflösbaren Pattsituation: Ihre Vermögenswerte wurden von den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zwar sichergestellt und beschlagnahmt, eine Ausfolgung wurde jedoch verweigert. Immer wieder wurden beschlagnahmte Vermögenswerte der Opfer für Verfallen erklärt. Im Ergebnis ist die Republik Österreich in solchen Fällen um den Betrag des Schadens des Opfers bereichert. Für die Opfer ein nur schwer zu akzeptierendes und vor allem unfaires Ergebnis.
Klare Definition von Vermögenswerten schafft Rechtssicherheit für Opfer von Online-Betrug
Die zunehmende Nutzung von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder USDT hat die Strafjustiz vor neue Herausforderungen gestellt. Aber auch bei Giralgeldern war eine Ausfolgung betrügerisch erlangter Gelder an das Opfer im Ermittlungsverfahren in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen und lediglich im Wege einer umstrittenen Gesetzesanalogie zu lösen. Das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 greift dieses Problem auf und schafft klare gesetzliche Regelungen zur prozessualen Sicherung und Durchsetzung von Ansprüchen der Opfer:
- Sicherstellung und Beschlagnahme von Vermögenswerten: Kryptowährungen und sonstige Vermögenswerte werden erstmals explizit in der Strafprozessordnung geregelt. Die Legaldefinition des Worts „Vermögenswert“ beseitigt Unsicherheiten in der Vorgehensweise im Rahmen der Sicherstellung und Beschlagnahme inkriminierter Vermögenswerte.
- Beschlagnahme auf Behördenwallet anstatt Drittverbot: Sichergestellte Kryptowährungen sind auf behördeneigene Walletadressen der Kriminalpolizei zu transferieren und dort zu verwahren. Bisher wurde in Analogie zu Bankforderungen weitgehend die Ansicht vertreten, dass die Sicherstellung lediglich durch Ausspruch eines Drittverbots bei den involvierten Exchanges möglich sein würde.
- Ausfolgung von Vermögenswerten: Opfer von Straftraten – wie insbesondere Betrug oder Erpressung – die Kryptowährungen oder Giralgelder an die oft unbekannten Täter verloren haben, erhalten durch die Neuregelung der Strafprozessordnung einen verbesserten Zugang zu beschlagnahmten Vermögenswerten. Vor allem die Durchsetzung der Ansprüche auf Ausfolgung beschlagnahmter Vermögenswerte im Ermittlungsverfahren wird durch die ausdrückliche gesetzliche Verankerung erleichtert.
Fazit und Ausblick
Die Reform modernisiert die österreichische Strafverfolgung für das digitale Zeitalter. Trotz gesetzlicher Verankerung des Rechts auf Ausfolgung inkriminierter Vermögenswerte im Ermittlungsverfahren wird sich die Praxistauglichkeit der Bestimmungen erst in den kommenden Monaten zeigen.
Zweifellos stellt die Stärkung der Opferrechte einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. Leider blieben jedoch einige rechtlich wünschenswerte Klarstellungen offen. Insbesondere eine legistische Klarstellung zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit bei Kryptobetrug (siehe dazu bereits hier) findet sich in der Strafprozessreform 2024 nicht.
Für weitere Informationen und individuelle Beratung stehen Ihnen Roman Taudes und Patrick Brunsteiner jederzeit unter office@atb.law bzw. telefonisch unter 01 39 12345 zur Verfügung.